Hat der Spaten ausgedient?

Ackertantes Gartentipps

Januar – Woche 03

Alles ist im Wandel und verändert sich. Die Zeit, in der wir leben, rast mit unglaublicher Geschwindigkeit und wirft oft Dinge einfach über den Haufen, die jahrelang galten. Plötzlich kommt das Gefühl auf, kein Stein bleibt auf dem anderen liegen.

Selbst im Garten ändern sich die Ideen, Herangehensweisen, Strukturen, Ansprüche und Aufgaben. Sie müssen sich auch ändern, denn die Welt, das Leben und das Klima ändern sich. Wer das Klima schützen möchte, eine gesunde Ernährung und Selbstversorgung anstrebt sowie auf Nachhaltigkeit großen Wert legt, muss in vielen Bereichen umdenken.

Vor 25 Jahren, wir waren noch Teenager, nahm mich mein Mann mit auf einen Bauernhof mit Hühnern, Schafen einem Hund und einer Katze. Die Bauern selbst waren schon älter und mein Mann half an den Wochenenden und in den Ferien auf dem Hof. Hier musste ich mich das erste Mal in der neuen Familie beweisen. Schafstallausmisten stand ab und an auf dem Programm. Besonders im zeitigen Frühjahr und im späten Herbst war der Stall mit viel Mist gefüllt. Im Herbst kam dieser Mist direkt vom Stall auf einen großen Hänger allein mit Muskelkraft. Der volle Hänger wurde mit dem Traktor aufs Acker gezogen und mit einem Misthaken wurden auf dem Acker Haufen abgeladen. Diese Haufen wurden später mit der Mistgabel per Hand auf dem gesamten Acker verteilt. Das nannten wir Mistspreiten. Es waren sehr kraftaufwendige Aufgaben, die heute noch sehr lebendig in unserer Erinnerung verankert sind. War der Mist verteilt, wurde mit Traktor und Pflug gepflügt. Fertig war der Acker für den Winter, in diesen Zeiten ein gutes Gefühl. Die Erde lag dann ein halbes Jahr lang brach.

Damals reichte die Ackerfläche von Gartenzaun zu Gartenzaun. Es wurden hauptsächlich Kartoffeln und Futter für die Tiere angebaut. Es gab eine Art Bauerngarten mit Gemüse, Folienzelte für Gurken, Spargelbeete und Obstbäume, Erdmieten und Vorratshaltung. Alles wurde akribisch sauber gehalten, Unkraut gab des defacto nicht. Ich war begeistert und bekam dort die Möglichkeit ein paar eigene Beete anzulegen. Dies war der Beginn meines eigenen Gartens.

Unterdessen leben wir selbst auf dem Hof und bewirtschaften ihn seit vielen Jahren allein. Es gibt schon lange keine Schafe und Hühner mehr, was wir vermissen. Die Ackerfläche wurde immer weiter verkleinert und der Garten änderte sich nach unseren Vorstellungen und Wünschen. Wie damals, war es noch vor einigen Jahren unser Bestreben im Herbst zu pflügen. Es kam Mist, der wurde gleich per Maschine auf der Erde verteilt und anschließend pflügten wir mit unserem Traktor.

Irgendwann schafften wir es nicht mehr im Herbst zu pflügen. Es wurde Dezember, einmal pflügten wir sogar zwischen Weihnachten und Neujahr. Wir ließen den Mist weg. Wir sagten uns, es wäre nicht nötig, wir probieren es ohne. Es funktionierte auch. Es gab Vorteile, die Möhren waren nicht so madig, anderes Gemüse schmeckte nicht so streng. In dieser Zeit las ich viel über Permakultur und begann hier und da zu mulchen. Warum? Ich wurde dem Unkraut nicht mehr her. Mein Mann drohte mir, das Acker zu verkleinern. Hausbau, beide berufstätig, zwei Kinder, es gab wichtigere Dinge. Nach zwei Jahren ohne Mist entschlossen wir uns wieder für einen Hänger voll Mist, den wir allerdings erst im Frühjahr einpflügten. Ja, kann man machen, muss man aber nicht. Ich fing an viele Dinge zu hinterfragen.

In Permakultur-Büchern steht geschrieben, dass der Boden nicht umgegraben oder gepflügt werden sollte. Wir überlegen: Grubbern wäre vielleicht eine Alternative, bei dem Mulchmaterial und Kompost in die obere Erdschicht eingearbeitet wird. Ich fing an mit Gründünger zu arbeiten, mulchte die Beete und ließ die Erde so unberührt wie möglich. Lernte das Unkraut gern zu haben.

Unterdessen haben wir Januar. Mein Mann wollte bereits im Herbst pflügen. Ich überredete ihn bis zum Jahresanfang zu warten. Im Februar – März wäre ein guter Zeitpunkt. Auf Mist wollten wir dieses Jahr und auch in Zukunft verzichten. Gründünger, Kompost und gemulchte Beete erscheinen uns heute sinnvoller. Aktuell bin ich mir gar nicht so sicher, ob wir pflügen sollten. Wir diskutieren, wägen ab. Die Fläche ist zu groß, die Arbeitserleichterung durch das Pflügen einmalig. Obwohl: So eine Ackerfläche will geharkt, die Erdklumpen kleingemacht, die Kannten grade gezogen und Beete angelegt werden. Ich und die Harke alleine auf dem Acker.

Von meiner Permakultur-Hecke weiß ich, dass die Erde dort sehr gut ist. Sie ist voll mit Leben aller Art, locker, die Sträucher und Bäume wachsen gut, sehen gesund aus. Was aber tun wir jetzt mit diesem Acker? Zerstören wir wieder absichtlich die entstandene Bodenstruktur? Holen wir die Unkrautsamen aus längst vergangenen Jahren an die Erdoberfläche, wo sie wieder keimen können? Was macht Sinn? Was ist Arbeitserleichterung?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir die Ackerfläche in einigen Jahren nicht mehr pflügen werden. Auch wenn uns dann etwas traditionelles fehlen würde. Es wird vielleicht auch nicht mehr einen großen Acker, sondern verschiedene Gartenbereiche geben. Benötigen wir so viele Kartoffeln? Wo liegt unser Schwerpunkt? Selbstversorgung bedeutet für mich große Vielfalt und Gärtnern zu jeder Jahreszeit. Es braucht verschiedene Bereiche im Garten, um mit den unterschiedlichen Wetterbedingungen klarzukommen. Wir benötigen Schatten im Hochsommer und geschützte Ecken im Winter. Regenwasser ist kostbar und muss gesammelt werden, muss aber auch abfließen, wenn es zu viel regnet. Wir wollen zurück zu fruchtbaren Böden, vielen Regenwürmern, Krabbeltieren, Insekten, Kleintieren und Vögeln. Die Natur muss zurück ins Gleichgewicht und das fängt in unseren Gärten an.

Den Spaten brauchte ich in den letzten Jahren kaum. Weder zum Abstechen von Rasenkannten noch zum Umgraben. Nur um Pflanzlöcher für neue Bäume und Sträucher auszuheben, benutzte ich ihn recht häufig. Klingt doch wie ein guter Schritt in Richtung Permakultur.

Der Wandel hat begonnen, auf welche Reise er uns führt, welche Wege wir bestreiten, ob es leicht wird oder knifflig, all das wird sich zeigen, wenn es soweit ist.

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Unser Kartoffelacker

Früher wurde unser Acker hauptsächlich mit Kartoffeln, Rüben und Gurken bepflanzt. Diese Tradition wollten wir gern beibehalten. Aus diesem Grund nimmt der Kartoffelacker auch heute noch eine Hälfte der gesamten Ackerfläche ein. Davon isst die ganze Großfamilie das liebe lange Jahr über eigene Kartoffeln. Die Größe des Ackers haben wir nie bemessen. Die Anzahl der gesetzten Knollen liegt bei ungefähr 650 Stück. Das klingt ziemlich viel. Es gibt Jahre, da ernten wir viele Kartoffeln. Dann gibt es Jahre, da sind es weniger. Wetter, Kartoffelkäfer und der Zustand der Saatkartoffeln beeinflussen die Ernte erheblich.

Da wir als berufstätige Menschen mit zwei Schulkindern nicht unendlich viel Zeit auf dem Kartoffelacker verbringen können und möchten, liegt unsere Strategie im sich selbst überlassen. Das bedeutet, dass wir die Saison über relativ wenig Zeit investieren. Allerdings ist es immer noch eine ganze Menge Arbeit.

Nach dem Pflügen im Herbst ruht der Acker im Winter. Sobald er abgetrocknet ist, wird er im Frühjahr glattgeharkt. Dies erfordert ordentlich Muskelkraft nach den langen Wintermonaten.  Die Aussaat erfolgt ab Ende April bis Anfang Mai. Dazu verwenden wir einen alten Kartoffelsetzer aus Holz. Immer wieder werden Kartoffelkäfer abgelesen und das Unkraut gehackt. Wenn die Pflanzen kniehoch stehen, pflügen wir die Reihen mit einem Handpflug auf. An den Wochenenden lesen wir die Kartoffel-Käfer und -Larven so oft es geht ab. Irgendwann ist allerdings kein Durchkommen mehr möglich. Von da an sind die Kartoffelpflanzen sich selbst überlassen.

Im September ist es dann an der Zeit, den Kartoffelacker abzuräumen. Meistens steht das Unkraut inzwischen hüfthoch.

Was erschreckend aussieht, ist meistens an 2-3 Tagen erledigt. Vorausgesetzt, man fängt an und denkt nicht weiter drüber nach. Am Ende ist jede mühselige Tätigkeit ein stetiges Voranschreiten: Ein sich Bücken, Greifen, Herausziehen, Wegbringen und Aufsammeln, Furche für Furche…

Sicher, es ist kein sinnloses ackern. Wir werden belohnt mit kleinen und großen Knollen. Und ein Ende ist irgendwann absehbar.

Danach werden die Kartoffeln mit einem alten Traktor und Kartoffelroder aus der Erde gepflügt. Dies ist ein Familienevent der besonderen Art.

Schon früh am Morgen werden Kartoffelkörbe und Stiegen zusammengetragen. Der Traktor läuft warm und sorgt für die nötige Grundstimmung. Alle kommen und schnappen sich einen Eimer oder Korb und schon geht es los. Reihe für Reihe fliegen die Knollen aus der Erde. Bei der letzten Reihe müssen die Kinder ganz besonders aufpassen. Jetzt gilt es den Kokot* zu sehen, der als Behüter der Kartoffeln aus der letzten Furche flüchtet. Oma sieht ihn immer. Garantiert!

Einen Schnaps auf den Kokot! Zu guter Letzt wird auf den Kokot getrunken. Darauf, dass er die Kartoffeln beschützt hat und darauf, dass er im kommenden Jahr wieder kommt. Anschließend gibt es selbstgemachte Kartoffelpuffer bis alle platzen …

*Die Sorben/Wenden glaubten an Geister der Fruchtbarkeit und der Vegetation in der Gestalt eines Tieres. Dem Hahn, sorbisch „kokot“, sprachen sie Kräfte zu, die Ernte zu beeinflussen. War die Ernte beendet, versteckte sich der Hahn unter der letzten Garbe, um neue Kraft für die nächste Ernte zu sammeln. http://www.werben-im-spreewald.de/seite/161225/erntebräuche.html

 

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